Auslandsanleihen - fiktive Quellensteuer

Der deutsche Kapitalmarkt ist für einige ausgewählte Schwellenländer und Entwicklungsländer leichter zugänglich, als für andere: so sieht das deutsche Steuerrecht bei manchen Auslandsanleihen eine fiktive Quellensteuer auf die Steuerschuld des Anlegers vor, obwohl eigentlich gar keine Quellsteuer durch das betreffende Land einbehalten worden ist. Daraus ergibt sich der Begriff: fiktive Quellsteuer. Die Schuldnerländer wären dazu verpflichtet, verbesserte Zinskonditionen anzubieten, wenn es dieses Steuerprivileg nicht gäbe, denn ansonsten wären sie nicht wettbewerbsfähig am Kapitalmarkt. Das eingeräumte Steuerprivileg stellt also eine Art Ausgleich für das höhere Bonitätsrisiko dar, das diese Schuldnerländer innehaben.

Doppelbesteuerungsabkommen

Rechtlich verankert ist die fiktive Quellsteuer im DBA, dem Doppelbesteuerungsabkommen. Die Steuergutschrift könnte man auch als Entwicklungshilfe für das jeweilige Land, mit dem das Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen wurde, betrachten. Allerdings können die steuerlichen Vorteile im DBA befristet werden, wie es zum Beispiel bei Indien und Vietnam der Fall ist. Bestehen keine Befristungen, so bleiben Vergünstigungen erhalten, die rein ökonomisch eigentlich keinen Sinn machen - ein Beispiel hierfür wäre die fiktive Quellsteuer für Anleihen aus China und der Türkei - Länder, die eine solche Unterstützung schon lange nicht mehr benötigen.

Für die fiktive Quellsteuer werden die zugeflossenen Zinsen als Bemessungsgrundlage herangezogen, aus fiktivem Quellsteuersatz und der Bemessungsgrundlage ergibt sich die anrechenbare fiktive Quellensteuer. Sofern das Land jedoch tatsächlich eine Quellensteuer einbehält, so mindert sich der Steuervorteil, der aus der Anrechnung der fiktiven Quellensteuer hervorgeht.

Es kommt nur dann zur Anwendung einer fiktiven Quellensteuer, wenn die Kapitalerträge aus dem Ausland in Deutschland versteuert werden müssen. Systembedingt ist die Anrechnung der fiktiven Quellensteuer nur auf den Anteil der deutschen Einkommensteuer machbar - der Anteil auf die nicht deutschen bzw. ausländischen Zinseinkünfte fällt weg. Sofern ein Anrechnungsüberhang besteht, so geht dieser dem Steuerpflichtigen verloren, ein Übertrag auf deutsche Zinseinkünfte kann nicht vorgenommen werden.

Quellensteuer in der Praxis

Durch die fiktive Quellsteuer wird die Nettorendite, die die ausländischen Papiere erwirtschaftet, erhöht. Beispielrechnung: Die fiktive Quellensteuer wird mit 15% angerechnet, anstatt Abgeltungssteuer (25%) zahlt der Anleger mithin nur zehn Prozent Einkommensteuer. Dabei übernimmt die Bank sämtlichen Papierkram, es sind keine gesonderten Angaben im Rahmen der Steuererklärung vonnöten.

Der Steuervorteil erhöht sich logischerweise, je höher der Einkommensteuersatz des jeweiligen Anlegers ist. Das bedeutet im Vergleich mit anderen Kapitalanlageprodukten: je höher der Steuersatz des Anlegers angesiedelt ist, desto höher muss auch die Rendite vor Steuern bei einer anderweitigen Vergleichsanlage, die aber voll steuerpflichtig ist, sein, damit eine Nachsteuerrendite von gleicher Höhe erzielt wird.